Dienstag, 21. Mai 2013

Xbox One

Microsoft will mit der neuen Xbox One eine Super-Konsole schaffen: Sie soll alle Geräte im Wohnzimmer beherrschen, mit Gesten- und Sprachsteuerung funktionieren. SPIEGEL ONLINE konnte die Spielkonsole exklusiv vorab ansehen, sprach mit Entwicklern und Managern. Die wichtigsten Fakten im Überblick.







Der Mann sitzt auf dem Sofa. "Um wie viel Uhr läuft 'Top Gear'?" fragt er, und der Fernseher sagt es ihm. "Schalte um auf CNN", sagt der Mann, und der Fernseher tut es. "Was schauen sich meine Freunde gerade an?", fragt der Mann, und der Fernseher verrät es. "Ruf mal Jack an", sagt der Mann, und eine Skype-Verbindung wird hergestellt. Die Ehefrau des Mannes kommt ins Zimmer. "Schalte um zu Lynette", sagt der Mann, und das Hündchen-Video vom Tablet-PC der Gattin springt auf den großen Bildschirm.


Das ist Microsofts Vision für die neue Xbox One, dargestellt in einem Werbe-Video: "Das Gehirn Ihres Wohnzimmers" soll sie werden, eine Super-Konsole im Wortsinn. Die Benutzeroberfläche der Xbox One mit Sprach- und Gestensteuerung soll sich über die aller anderen Unterhaltungsmaschinen legen vom AV-Receiver bis zum Internet- und Fernsehanschluss. All das hat man von dem TV-Gerät erwartet, das Apple Gerüchten zufolge seit Jahren entwickelt. Die Xbox One aber ist immer noch eine Spielkonsole.

Was aber kann sie wirklich? SPIEGEL ONLINE hatte Anfang Mai die Gelegenheit, sich das Gerät bei Microsoft in Redmond vorab anzusehen, mit Entwicklern und Managern über die neue Xbox One zu sprechen.
Hier sind die wichtigsten Fakten zur neuen Microsoft-Konsole.
1. Was kann die neue Konsole?
Zunächst einmal natürlich: Schneller rechnen, bessere Grafik darstellen, mehr künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel bringen. Die neue Xbox One ermögliche etwa viermal so viele KI-Entscheidungen pro Sekunde wie die alte, berichteten Entwickler des Spieleherstellers Electronic Arts (EA) bei einem Besuch im EA-Studio in Vancouver, Kanada. Der Spiele-Publisher entwickelt vier Launchtitel für die neue Xbox One, das neue "Fifa" soll man bereits bei der Electronic Entertainment Expo (E3) im Juni in Los Angeles anspielen können.
Im nächsten "Fifa"-Spiel könnte beispielsweise das Publikum präziser auf den Spielverlauf reagieren, Spieler würden sich anders verhalten "wenn Barcelona gegen Bayern München gegen Ende 0:3 zurückliegt ", erklärte Fifa-Produktmanager David Rutter. Spieler, Teams und Publikum würden intelligenter.
Was die Konsole an neuen Darstellungsmöglichkeiten ermöglicht, demonstrierte Brian Hayes, dessen Team für EA einen "Ultimate Fighting"-Titel entwickelt: Die Muskulatur der Kämpfer lasse sich nun bei Kontakt oder Würgegriffen verformen, sogar die Durchblutung einzelner Hautpartien lasse sich in Echtzeit darstellen. Die Gesichtszüge der Spielfiguren würden sich bereits verziehen, bevor ein Schlag sie überhaupt trifft - Antizipation statt Reaktion. Hayes: "In früheren Spielen sah es aus, als ob zwei hochwertige Actionfiguren miteinander kämpfen. Jetzt sieht es aus, als ob zwei echte Menschen miteinander kämpfen." Xbox-Marketingchef Yusuf Mehdi selbst demonstrierte eine sehr kurze Sequenz aus einem neuen "Forza"-Rennspiel, ein perfekt modellierter Sportwagen, bis hin zu Kratzern auf dem Gummi der Bereifung. "Wir können jetzt das Unperfekte abbilden", schwärmte Mehdi - sehr Ähnliches war auch von Sony bei der PS4-Demonstration zu hören.
EA-Entwickler Hayes sprach bei seiner Präsentation mehrmals unbewusst von "den neuen Konsolen" - es ist zu erwarten, dass Sonys Playstation 4grafisch ähnliche Leistungen liefern wird.

Es sei deutlich leichter, für die neue Konsole zu entwickeln, als das in der Anfangsphase der Xbox 360 der Fall gewesen sei, betonte Andrew Wilson, der Chef von EA Sports: "Wir werden im Lebenszyklus dieser Konsole sehr viel früher sehr viel bessere Spiele sehen."

In Los Angeles führte Activision einen neuen Teil der "Call of Duty"-Reihe für die neue Xbox One vor. "Schon vor vielen Jahren hieß es: Eines Tages werden die Spiele so gut wie die heutigen Zwischensequenzen aussehen", sagt Mark Rubin, Produzent des neuen "CoD"-Shooters "Ghosts". "Mit der nächsten Xbox kommen wir dieser Aussage deutlich näher." Lichtstahlen, die durch das Blätterdach eines Waldes fallen etwa könne man nun in Echtzeit und 3D simulieren. Bislang habe man bei solchen Szenen stets "getrickst". Ein Exklusivtitel für die Xbox wird "Ghosts" nicht, das Spiel wird auch für andere Plattformen erscheinen.
Microsoft verspricht neben besseren, eindrucksvolleren Spielen etwas,was auch Sony in ähnlicher Weise für seine PS4 angekündigt hat: automatische Updates im Hintergrund, kurze Ladezeiten, geschmeidigen, schnellen Wechsel zwischen Anwendungen. Auf der neuen Xbox One laufen dafür drei Betriebssysteme: Ein Dach-System, ein weiteres für alles, was nichts mit Spielen zu tun hat - etwa HD-Videochat via Skype - und eines, das den überwiegenden Teil des Speichers und der Rechenleistung für Spiele verwaltet.
2. Werden alte und gebrauchte Spiele auf der neuen Konsole laufen?
Xbox-360-Spiele laufen auf der neuen Xbox One nicht, die Architektur ist zu unterschiedlich. Gebraucht verkaufte Spiele aber soll man auf der neuen Xbox in jedem Fall spielen können, versprach Xbox-Chef Don Mattrick, man arbeite derzeit daran, wie das genau umgesetzt werden könne.
3. Wie sieht die Konsole aus?
Wie ein schwarzer Kasten, etwa so groß wie ein dicker, gutgefüllter Aktenordner - und damit größer als die derzeitig erhältliche Version der Xbox 360. Der Kinect-Sensor ist ähnlich schlicht gestaltet (siehe Fotostrecke). Schönheitspreise wird die neue Xbox kaum gewinnen. Sie ist vor allem: schlicht, funktional, reduziert, schwarz. Und, das verspricht Microsoft zumindest: leise.
4. Was kann die neue Kinect-Kamera?
Die neue Kamera arbeitet mit einer Technologie namens "aktives Infrarot". Sie sendet Laserstrahlen in den Raum und misst, wie lang es dauert, bis die reflektierten Photonen zum Sensor zurückkehren. Das hat den Vorteil, dass ein Teil des Inputs von der Raumbeleuchtung völlig unabhängig ist. In Demonstrationen wurde deutlich: Wo die alte Kinect-Kamera pixelige, unscharfe Bilder sieht, erkennt die neue ein klares Monochrom-Bild des Raums - auch, wenn das Licht aus ist. So funktioniert etwa Gesichtserkennung auch im Dunkeln. Zusätzlich verfügt das neue Kinect über eine hochauflösende Farbkamera und einen Satz Mikrofone, die nicht nur den Sprecher im Raum lokalisieren, sondern auch Umgebungsgeräusche herausfiltern können sollen. All diese Kanäle können ihre Informationen bündeln und verrechnen.
Yaron Galitzky, Entwicklungschef für die Konsolenkamera, erklärt: "Kinect weiß nicht nur, wer im Zimmer ist. Es weiß auch, wer welchen Controller in der Hand hält." Umständliche Login-Vorgänge würden damit entfallen.
Der Bildschirm der Entwickler-Ansicht zeigte in einer Demonstration diverse Variablen:

  • Gesichtsausdruck ("traurig/fröhlich/neutral")
  • aufmerksam ("ja/nein")
  • spricht ("ja/nein")
  • linkes/rechtes Auge ("offen/geschlossen")
  • Mund ("offen/geschlossen")

Galitzky erklärte, man wisse nun also: "Wer ist im Zimmer? Was tun sie? Wie fühlen sie sich? Und wir können das nicht nur für einen oder zwei Spieler, sondern für bis zu sechs."
Die neue Konsolenkamera kann auch Handhaltungen und Gesten erkennen. So unterscheidet sie zwischen einer Zeige-Geste, einer geöffneten und einer geschlossenen Hand. Touchscreen-Gesten kann man so auf den TV-Bildschirm übertragen. Beide Hände schließen, auseinanderziehen: Zoom. Mit einem Finger Zeigen: Klick. Wischbewegung: Blättern. Die neue Kamera verspricht völlig neue Möglichkeiten zur Gestensteuerung eines TV-Bildschirms. Und völlig neue Datenschutzprobleme.

Was in Redmond nicht live vorgeführt wurde, war die eingangs beschriebene Sprachsteuerung - sie gab es nur als Video zu sehen. Sie soll auf bei Microsoft hausintern entwickelter Spracherkennungstechnologie basieren.
5. Wie steht es um die Vernetzungsmöglichkeiten?
Schon die Xbox 360 lässt sich über eine Smartphone- und Tablet-App namens Smartglass bedienen, wenn auch nur in eingeschränktem Ausmaß. Die neue Konsole soll solche Funktionen noch kräftig ausbauen - Nebenaufgaben fürs Konsolenspiel auf dem Handy, ständige Vernetzung mit den Spielpartnern, Konsolensteuerung per Handy oder Tablet, auch von mehreren Spielern gleichzeitig. Ein bisschen Wii U mit dem Handy gewissermaßen. Bislang aber handelt es sich dabei nur um Ankündigungen.

Spielsequenzen sollen ständig und automatisch mitgeschnitten werden, so dass man seine aktuellen Heldentaten unmittelbar publizieren kann, im Konsolennetz oder in sozialen Netzwerken wie Facebook. Das gleicheverspricht Sony für seine Playstation 4.

Die Datenwolke im Netz, die Cloud, spielt in Microsofts Plänen eine zentrale Rolle. Die "Achievements" beispielsweise, die man in diversen Spielen erreichen kann, sollen von Spieleherstellern künftig permanent angepasst werden können, weil sie nicht auf der Konsole selbst, sondern in der Datenwolke abgespeichert werden. Unabhängige Spielentwickler sollen Cloud-Services von Microsoft nutzen können, um die Rechen- und Speicherleistung der Konsole zu ergänzen. Eine neue Xbox offline zu betreiben, wird deshalb wenig Spaß machen.

Dank der Cloud-Anbindung soll man seine Spiele auch zu Freunden mitnehmen können: Wer sich auf der Konsole eines anderen mit seinem Profil einloggt, soll dort Zugriff auf seine komplette Spielebibliothek haben. Auf Datenträgern erworbene Titel sollen dort nach und nach heruntergeladen werden und unmittelbar gespielt werden können - solange der Betreffende dort eingeloggt ist.

6. Fazit
Die neue Xbox ist ein eindrucksvolles Paket. Wann und wie all die Multimedia-Vernetzungsfunktionen wirklich funktionieren, ist angesichts der realen Vielfalt der TV- und Multimediakonfigurationen derzeit aber unklar. Auf die Frage, ob all das denn etwa mit einem deutschen Satelliten-Receiver oder einem Kabelanschluss funktionieren werde, antworteten Microsoft-Manager in Redmond ausweichend: Das werde "nach und nach" kommen.
Was die neue Xbox wirklich kann, wird man erst sehen, wenn sie im Herbst auf den Markt kommt. Eins aber ist klar: Mit der integrierten, drastisch verbesserten Kinect-Kamera hat sie etwas zu bieten, das der Konkurrenz fehlt, etwas, das man eigentlich von Apple erwartet hätte. Aber auch ein potentielles Datenschutz-Problem von enormem Ausmaß - schließlich blickt künftig jede neue Xbox stets in Wohnzimmer ihrer Besitzer.

Quelle:Spiegel.de





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